Christina Gutz
Lasst uns feiern, was wir teilen
Wado und TSYR Freundschaftslehrgang mit Toby Threadgill (USA), Shuzo Imai (Deutschland) und Tran Hieu Minh (Frankreich) am 12. und 13. Mai 2018 in Berlin
Zum ersten Mal in der Geschichte wurden Wado Ryu, JKF Wado-Kai und Shindo Yoshin Ryu am selben Ort von führenden Lehrern unterrichtet: Toby Threadgill, Kaicho und Menkyo Kaiden Takamura Ha Shindo Yoshin Kai, Shuzo Imai, 8. Dan Wado-Ryu DKV und 7. Dan JKF Wado-Kai und Tran Hieu Minh, 7. Dan Renshi Wado-Ryu Karate-Do Academy. Mehr als 100 Teilnehmer aus neun Nationen (Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Ungarn) nahmen an diesem Freundschaftslehrgang teil.
Eine Freundschaft hat verbindende Elemente. So wählten Toby Threadgill, Shuzo Imai und Tran Hieu Minh als Leitthema Ten-I, Ten-Tai und Ten-Gi. Diese drei grundlegenden Prinzipien des Wado Ryu haben ihren Ursprung im Shindo Yoshin Ryu (SYR).[1]
Eine Freundschaft kennzeichnet ein Miteinander, gegenseitige Wertschätzung und Sympathie. So fand das Training am Samstag in drei nach Trainingserfahrung/Graduierung aufgeteilten Gruppen statt, die von Toby Threadgill, Tran Hieu Minh und Shuzo Imai im Wechsel unterrichtet wurden, wobei die Senseis ihre Lehrinhalte der jeweiligen Gruppenzusammensetzung anpassten. Am Sonntag trainierten alle Teilnehmer gemeinsam in einer Gruppe und wurden nacheinander von Shuzo Imai, Toby Threadgill und Tran Hieu Minh unterrichtet. Die Teilnehmer übten während des Lehrgangs mit verschiedenen Partnern, so dass sie ihr Können und Wissen austauschen konnten. Dieser Austausch war gekennzeichnet durch hohe Motivation, Offenheit, Konzentration, Freundlichkeit und der Bereitschaft voneinander zu lernen und miteinander zu trainieren.
Ten-I, Ten-Tai und Ten-Gi
Das Zusammenwirken von Ten-I, Ten-Tai und Ten-Gi wird im Shindo Yoshin Ryu I-Tai-Gi genannt und wird übersetzt als Bewegung, Körperposition, Technik. Es steht in Beziehung zu Kuzushi (aus dem Gleichgewicht bringen), Tsukuri (überlegene Position), Kake (Ausführung). I-Tai-Gi stammt aus dem Kenjutsu. Kuzushi, Tsukuri, Kake stammen aus dem Taijutsu.[2] Toby Threadgill begann mit grundlegenden Taisabaki-Übungen, auf die sich komplexere Partnerkata wie einige ausgewählte Tachiai Tedori Kuzushi und Tantodori anschlossen. Vor jedem Trainingsabschnitt demonstrierte er eindrucksvoll, dass die Ursprünge dieser und der Wado Partnerübungen aus dem Kampf der japanischen Samurai mit Waffen wie beispielsweise dem Schwert kommen.
Im Wado Ryu wird von San-Mi-Ittai gesprochen: Ten-I = Verändern der Position oder ein knappes Wegbewegen vom Angriff, Ten-Tai = Drehen und Wiederausrichten des Körpers, um so eine günstige Position zum Angreifer einzunehmen und eine geringe Angriffsfläche zu bieten, Ten-Gi = Ausführen der Technik. Tran Hieu Minh begann seinen Unterricht mit Grundübungen zu San-Mi-Ittai, die er Schritt für Schritt zu komplexen Partnerübungen ausbaute. Viel Wert legte er auf Geschmeidigkeit und flüssige Bewegungen, die ineinander übergehen und – im übertragenen Sinn – letztlich eine Vielzahl von Techniken eins werden lassen. Shuzo Imai ging vom Kihon aus und entwickelte hieraus zahlreiche Partnerübungen, so dass die Teilnehmer San-Mi-Ittai nachvollziehbar und effektiv trainieren konnten. Besonderes Augenmerk legte er auf ein Agieren aus der Entspannung, das eine wichtige Voraussetzung für schnelle und kraftvolle Techniken ist.
Alle drei Senseis gingen in ihrem Training im Zusammenhang mit Ten-I, Ten-Tai, Ten-Gi auf Taisabaki[3] ein, das seinen Ursprung ebenfalls im SYR hat: Nagasu, Inasu und Noru sind grundlegende Prinzipien der Partnerkata sowohl im TSYR als auch im Wado.
Lasst uns feiern, was wir teilen
Dieser Lehrgang war ein wirklicher Freundschaftslehrgang: Wir haben erfahren, was uns verbindet, was wir in unserer Budo-Vergangenheit und -Gegenwart teilen. Dieser Austausch und dieses Miteinander stärken uns alle, wir lernen uns (besser) kennen und es entstehen neue Freundschaften. TSYR, Wado-Ryu Karate-Do Academy, Wado Ryu und JKF Wado-Kai können so optimistisch in die Zukunft blicken.
Wiedersehen 2020 in Berlin
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen beim Wado und TSYR Freundschaftslehrgang mit Toby Threadgill, Shuzo Imai und Tran Hieu Minh am 30. und 31. Mai 2020 in Berlin.
[1] Im Unterschied zum Koryu, den traditionellen japanischen Kampfkünsten, die vor dem Beginn der Meiji Restauration 1868 entstanden, gehört Karate zum Gendai Budo, den Kampfkünsten, die nach 1868 in Japan gegründet wurden. Das von Hironori Otsuka (1892 – 1982) 1934 gegründete Wado Ryu ist also dem Gendai Budo zuzuordnen. Otsuka trainierte von 1905 bis 1921 im Dojo von Tatsusuburo Nakayama (1870 – 1933) Shindo Yoshin Ryu und erhielt von ihm 1921 den Menkyo Kaiden. Somit besteht durch Otsuka eine ursprüngliche Verbindung zwischen dem Shindo Yoshin Ryu und dem Wado Ryu. Shindo Yoshin Ryu ist eine Koryu-Schule, die 1864 von Matsuoka Katsunosuke gegründet wurde. Eine autorisierte Nebenlinie, die Ohbata/Takamura Linie, wird heute als Takamura Ha Shindo Yoshin Kai von Toby Threadgill als Kaicho und Menkyo Kaiden geleitet. Erst 1922 traf Otsuka Gichin Funakoshi, später Kenwa Mabuni und Motubu Choki auf dem japanischen Festland und studierte das Karate von Okinawa bei ihnen.
Siehe: Toby Threadgill and Shingo Ohgami: Takamura-ha Shindo Yoshin-ryu Jujutsu: History and Technique. https://www.koryu.com/library/tthreadgill1.html (Stand: 22.03.2018) und www.shinyokai.com
[2] Toby Threadgill, siehe: Christina Gutz: Die Begründung der Kernprinzipien des Wado Ryu im SYR: Ten-I, Ten-Tai, Ten-Gi. Wado und TSYR Lehrgang mit Toby Threadgill (USA) und Koichi Shimura (Japan) am 17. und 18. Februar 2018 in Berlin. https://www.wado-karate.de/nachrichten-berichte/ und http://www.berliner-karate-verband.de/
[3] Taisabaki bedeutet „Body Management“ und ist gewöhnlich bezogen auf eine Ausweichbewegung. Taisabaki im Wado Ryu hat seinen unmittelbaren Ursprung im Shindo Yoshin Ryu. Beim Taisabaki werden drei Prinzipien unterschieden:
Nagasu (fließen lassen): das Abwehren des Angriffs oder das Bewegen mit dem Angriff und das gleichzeitige knappe Ausweichen aus der Angriffslinie, oftmals verbunden mit einem gleichzeitigen Konter.
Inasu (ausweichen): das Ausweichen und/oder Umleiten des Angriffs, oftmals verbunden mit Tai-Otoshi, einem Fallenlassen des Körpers, um sich unter, in oder um die Angriffstechnik des Gegners bewegen zu können.
Noru (mitgehen): das Bewegen mit Musubi (Kontakt) zum Gegner, so dass dessen Technik bzw. Bewegung kontrolliert wird.
Das Ausweichen ist fast immer von einem Atemi (einem präzisen Schlag) auf einen vitalen Punkt begleitet und endet sehr oft mit einem Nage (Wurf). Wichtig sind zudem der Bewegungsfluss und der richtige Wechsel von Entspannung und Spannung bzw. Kime.