Ein wegweisender Lehrgang mit Toby Threadgill (USA) und Koichi Shimura (Japan)
am 18. und 19. Februar 2017 in Berlin: Die Verbindung zwischen Wado Ryu und TSYR
(Christina Gutz)
Zwei Senseis mit Weltklasseniveau leiteten unseren Wado und TSYR Lehrgang am 18., 19. Februar 2017 in Berlin: Toby Threadgill, Menkyo Kaiden und Kaisho Takamura Ha Shindo Yoshin Ryu, ist der erste Nichtjapaner, der eine Koryu Schule führt. Koichi Shimura, 7. Dan JKF Wado-Kai und JKF Wado-Kai 1st Instructor, leitet als Generalsekretär das JKF Wado-Kai Headquarter in Tokio. 160 Teilnehmer aus 18 Nationen (Bangladesch, Belgien, Dänemark, Deutschland, England, Finnland, Frankreich, Irland, Italien, Nepal, Niederlande, Österreich, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei, Ungarn, USA), unter ihnen zahlreiche hohe Dan-Träger, zeugen von der internationalen Bedeutung des Lehrgangs.
Toby Threadgill und Koichi Shimura verdeutlichten in diesem Wado und TSYR Lehrgang die Verbindung zwischen Shindo Yoshin Ryu und Wado Ryu in der Vergangenheit und in der Gegenwart, und sie richteten ihren Blick in die Zukunft.
Die Vergangenheit
Takamura Ha Shindo Yoshin Ryu (TSYR) ist eine Koryu-Schule und gehört zu den traditionellen japanischen Kampfkünsten, die vor dem Beginn der Meiji Restauration 1868 entstanden. Karate gehört zum Gendai Budo, zu den Kampfkünsten, die nach 1868 in Japan entwickelt wurden. Das von Hironori Otsuka (1892 – 1982) 1934 gegründete Wado Ryu ist also dem Gendai Budo zuzurechnen. Im Unterschied zum Okinawa-Karate, das auf Selbstverteidigung basiert, beruht Wado Ryu auf Sente, auf Angriff und Initiative. Hironori Otsuka war im klassischen Budo ausgebildet und transferierte sein Wissen aus dem Shindo Yoshin Ryu in das Wado Ryu.[1] Toby Threadgill veranschaulichte dies bildhaft: Otsuka nahm das Okinawa Karate, entfernte dessen Kernprinzipien und setzte die Kernprinzipien des Shindo Yoshin Ryu ein.[2] So übertrug er das Wissen des Koryu in das Wado Ryu. Koichi Shimura repräsentiert als Generalsekretär auf höchster Ebene JKF Wado-Kai und steht somit in direkter Beziehung zu dem Erbe Otsukas.[3]
Die Gegenwart
Das hohe Niveau, auf dem Koichi Shimura und Toby Threadgill unterrichteten, wurde in den Trainingsinhalten und in ihrem methodisch-didaktischen Vorgehen deutlich.
Bei Koichi Shimura trainierten die Teilnehmer Kihon, Kihon Kumite 1 – 10 und ausgewählte Kata aus dem JKF Wado-Kai Curriculum. Hier überzeugte Koichi Shimura mit der Vermittlung des technischen Standards von JKF Wado-Kai. Von zentraler Bedeutung ist jedoch, dass die Teilnehmer feststellten: Für Koichi Shimura und Toby Threadgill sind die Budo-Prinzipien der Schlüssel zum Verständnis und zum Erfolg.[4] Koichi Shimura begann seinen Unterricht mit Kihon und sagte, dass Kihon am wichtigsten sei und ständiges präzises Üben Voraussetzung für ein gutes Karate sei. Grundprinzipien wie Entspannung, eine korrekte Körperstruktur/Chushin Tadasu, Hikite, geschmeidige und flüssige Bewegungen ermöglichen erst wirkungsvolle Techniken mit Kime. Bei den Kihon Kumite verwies er auf korrektes Maai und Sente: „Du solltest jederzeit angreifen können.“ Auch Toby Threadgill ging von den Grundprinzipien aus und sagte, dass das präzise Ausführen der Techniken und fleißiges, selbstkritisches Üben unablässig für einen Trainingsfortschritt seien. So konnten die Teilnehmer beispielsweise bei der TSYR Partner-Kata Yoko Nuki zur Befreiung aus einer Handgelenksumklammerung Parallelen zu Pinan Sandan ziehen und die TSYR Partner-Kata Kinukuguri mit Kihon Kumite 10 vergleichen. Eindrucksvoll demonstrierte Toby Threadgill, dass die Einzigartigkeit des Wado Ryu durch seine historischen Wurzeln im Shindo Yoshin Ryu begründet ist und die Techniken ihren Ursprung im Schwertkampf haben: Er belegte dies anhand von TSYR Partner-Kata: zunächst mit Bokken, dann mit Tanto und schließlich als Jujutsu, also ohne Waffen. In diesen Demonstrationen und im sich anschließenden Training erkannten die Teilnehmer die Parallelen in den Techniken und dass die Prinzipien den Kern der Partner-Kata darstellen.
Viel Anerkennung hatten die Teilnehmer auch für das methodisch-didaktische Vorgehen von Koichi Shimura und Toby Threadgill, die es beide verstanden, eine entspannte und konzentrierte Lernatmosphäre zu schaffen: Ein strukturierter Trainingsablauf, der dennoch flexibel an die jeweilige Teilnehmergruppe angepasst wurde, individuelle Hilfestellungen und Korrekturen.
Die Zukunft
Ziel des Lehrgangs ist es seit nunmehr zehn Jahren, die historische Verbindung zwischen Shindo Yoshin Ryu und Wado Ryu aufzuzeigen und in der Gegenwart erlebbar zu machen. Der diesjährige Lehrgang ist wegweisend: Toby Threadgill als Menkyo Kaiden und Kaisho des TSYR und Koichi Shimura als einer der höchsten Repräsentanten des JKF Wado-Kai garantieren nicht nur ein ausgezeichnetes inhaltliches Niveau, sondern auch eine Kooperation auf hoher offizieller Ebene. Dieser Austausch zwischen Wado und TSYR ermöglicht es, Gemeinsamkeiten bewusst werden zu lassen, Wissen und Können zu bewahren und zu vertiefen. Sehr wichtig und wunderbar ist es, jedes Jahr das freundschaftliche und offene Miteinander der Teilnehmer zu erleben. So können wir sicher sein, dass Wado und TSYR für die Zukunft gestärkt werden.
Wir freuen uns auf ein Wiedersehen beim Wado und TSYR Lehrgang mit Toby Threadgill und Koichi Shimura am 17. und 18. Februar 2018 in Berlin.
[1] Hironori Otsuka begann 1905 im Dojo von Tatsusaburo Nakayama (1870 – 1933) mit dem Training des Shindo Yoshin Ryu. 1921 erhielt er von Nakayama den Menkyo Kaiden in Shindo Yoshin Ryu. Erst 1922 traf er Gichin Funakoshi und später Kenwa Mabuni und trainierte mit ihnen.
[2] “Otsuka took the core out and put the Shindo Yoshin Ryu core in it. … He made it more Japanese”, Toby Threadgill, Wado und TSYR Lehrgang, 18. und 19. Februar 2017 in Berlin
[3] Hironori Otsuka gründete 1934 die Vorläuferorganisation des Wado-Kai Verbandes, den „Dai Nippon Karate Shinko Club“. Dies wird als ursprüngliche Gründung des Wado Ryu gesehen. In den 1950er Jahren konstituierte Hironori Otsuka die „Zen Nippon Karatedo Reinmei“. Am 5. Juni 1967 wurde der Name Zen Nippon Karatedo Reinmei zu Wado-Kai geändert. Mit der Gründung der Federation of All Japan Karetedo Organization (FAJKO, später umbenannt zu JKF) Mitte der 1960er Jahre wurde die Bezeichnung Wado-Kai offiziell gebräuchlich.
Vgl.: http://www.canadajkfwadokai.org/organisation/jkf-wadokai/ und https://www.jkfwadokaisohonbu.de/
[4] “You have to practice! The key are the principles. Kata is the vessel. It holds principles. You have to understand the theory and how to apply theory.” Toby Threadgill, Wado und TSYR Lehrgang, 18. und 19. Februar 2017 in Berlin