Wado-Ryu Karate
Wado-Ryu Karate

Körpermechanik im Budo

Wado und TSYR Pfingstlehrgang mit Toby Threadgill (USA) und Shuzo Imai (Deutschland) vom 07. – 09.06.2014 in Berlin

Von Christina Gutz: 110 Teilnehmer trafen sich zum Wado und TSYR Pfingstlehrgang 2014 in Berlin. Geleitet wurde das Training von Toby Threadgill (Menkyo Kaiden, Takamura-Ha Shindo Yoshin Ryu) und Shuzo Imai (8. Dan Wado Ryu).

Wado Ryu wurde von Hironori Otsuka (1892 – 1982) gegründet und basiert auf zwei Säulen: Dem Shindo Yoshin Ryu und dem Okinawa-Karate. Die historische Verbindung des Wado Ryu mit dem Shindo Yoshin Ryu findet sich heute in den Konzepten und Kernprinzipien des SYR, die Hironori Otsuka in das Wado Ryu übertragen hat.

Ziel des Lehrgangs war es zu vermitteln, dass eine richtige Körpermechanik[1] im Budo Voraussetzung für das Entwickeln von Schnelligkeit und Kraft aus der Entspannung ist und damit effektive Techniken möglich werden. Toby Threadgill und Shuzo Imai bewiesen eindrucksvoll, dass diese auch durch die moderne Sportwissenschaft bestätigten Erkenntnisse dem Budo im Allgemeinen und dem TSYR und dem Wado im Besonderen immanent sind.

Die Teilnehmer trainierten in zwei Gruppen wechselweise bei Toby Threadgill und Shuzo Imai. Die Übungen und Erläuterungen beider Senseis waren sehr konkret aufeinander abgestimmt. Für die Teilnehmer wurde so die historische Verbindung zwischen Wado Ryu und TSYR erfahrbar und gegenwärtig.    

Die richtige Körpermechanik im Budo

Toby Threadgill lehrte durch vielfältige Partnerkata, aber auch durch ausgewählte Kata der Nairiki No Gyo, dass eine korrekte Ausrichtung des Körpers (Chushin Tadasu), der Unterschied zwischen einem verbundenen und unverbundenen Körper, das Arbeiten aus der Entspannung heraus und das Nutzen der Schwerkraft (Tai Otoshi) wesentlich für gute Techniken sind. Im Kampf ist es wichtig, den eigenen Schwerpunkt zu kontrollieren und zu schützen, den des Angreifers aber zu zerstören: „In der Sekunde, in der er mich berührt, ist er aus der Balance.“[2] In jeder der Partnerkata, die die Teilnehmer übten, betonte Toby Threadgill die Grundprinzipien Atemi, Kuzushi, Tsukuri und Kake, die Voraussetzung für ein erfolgreiches Agieren, ein Besiegen des Gegners, sind.[3]

Shuzo Imai legte ebenfalls großen Wert auf die korrekte Ausrichtung des Körpers (Chushin Tadasu), die ein Handeln aus der Entspannung und somit das Entwickeln von Beweglichkeit und Schnelligkeit ermöglicht. Die Teilnehmer übten dies zunächst in der Grundschule (Kihon), um anschließend darauf aufbauend in Partnerübungen vor allem Ausweichbewegungen (Taisabaki) in Verbindung mit den Prinzipien, Irimi, Kuzushi, Tsukuri und Kake – hier häufig als Nage – umzusetzen und anzuwenden.

Die Technik folgt den Prinzipien[4]

In ihrem gemeinsamen Vortrag ergänzten und vertieften Toby Threadgill und Shuzo Imai ihre während des Trainings vermittelten Kernaussagen.

So betonte Shuzo Imai die Vorteile der Entspannung (Datsu-Ryuku), die darin liegen, dass die Bewegungen für den Gegner nur schwer zu realisieren sind und fließende, schnelle und starke Techniken möglich sind. Auch kann aus der Entspannung heraus eine innere Ruhe entwickelt werden, aus der effektiv und sicher gehandelt werden kann. Darüber hinaus ist es in jedem Alter möglich, die Schwerkraft zu nutzen, entspannt zu sein und damit dem Budo treu zu bleiben.

Toby Threadgill knüpfte an den Vortrag von Shuzo Imai an betonte, dass die Prinzipien im Wado Ryu Karate und im TSYR dieselben seien. Dies macht schon die Übersetzung des Wortes Jujutsu deutlich: Jujutsu meint flexibler Körper und Geist. Die Ursprünge liegen bei den Samurai, die im Kampf effektiv und flexibel agieren mussten. Hätten sie ihre Kraft und Energie in kurzer Zeit verausgabt, wäre ihnen ein schneller Tod auf dem Schlachtfeld sicher gewesen. Deshalb müssen auch wir im heutigen Budo lernen zu entspannen, und wir müssen ein ausgeprägtes und sicheres Gefühl für unsere Körperstruktur, für die Arbeitsweise unseres Skeletts und unserer Muskeln, ausbilden.

Im Umkehrschluss bedeutet dies: Je mehr Spannung der Partner hat, desto leichter ist es, ihn zu besiegen. Spannung bedeutet oftmals auch Anspannung als Zeichen von Erstarrung, Fassade, Angst oder Nervosität. Entspannung dagegen ist nicht nur ein Zeichen von innerer Ruhe und Gelassenheit, sondern auch Voraussetzung für ein entschlossenes Handeln und ermöglicht es, im Kampf die Initiative zu ergreifen (Sente) und auf direktem Weg zum Ziel zu gelangen (Kakugo). Dieses gemeinsame Konzept der Initiative von Shindo Yoshin Ryu und Wado Ryu wurde auf dem Lehrgang eindrucksvoll von Toby Threadgill und Shuzo Imai demonstriert und gelehrt.

Lernen und Verstehen geschieht Schritt für Schritt[5]

Shuzo Imai und Toby Threadgill waren sich auch darin einig, dass all dies verinnerlicht werden muss, damit die Bewegungsabläufe fließend und harmonisch werden und somit direkt und unmittelbar aus dem Unbewussten erfolgen können. Dies benötigt Zeit, geschieht Schritt für Schritt und erfordert darüber hinaus die Bereitschaft, aus seinen Fehlern zu lernen.[6] Wichtig war hierbei sowohl für Toby Threadgill als auch Shuzo Imai die richtige Einstellung: Die Achtsamkeit (Zanshin) gegenüber der eigenen Person und der Umgebung.

Diese Achtsamkeit der Teilnehmer war während des dreitägigen Lehrgangs gegenwärtig und manifestierte sich in der großen Lernbereitschaft, der Offenheit und dem kooperativen Miteinander.

Wado Pfingstlehrgang 2015

Wir laden alle an Martial Arts Interessierten zu unserem Wado Pfingstlehrgang 2015 nach Berlin ein.


[1] Body mechanics:  the field of physiology that studies muscular actions and the function of muscles in maintaining body posture. Mosby's Medical Dictionary, 8th edition. © 2009, Elsevier

[2] „“Control and protect your center of gravity.” “The second he touches me he is out of balance“, Toby Threadgill, Wado und TSYR Pfingstlehrgang 2014 in Berlin, 07.06.2014

[3] „Atemi, Kuzushi, Tsukuri und Kake enthalten die Grundlage aller japanischen Partnerkata. Der Auftakt geschieht durch Atemi. Atemi erfolgt aktiv oder passiv, psychisch (z. B. durch das Ausüben von Druck, das Erzeugen von Verunsicherung, eines Schrecks) oder physisch (z. B. durch einen Schlag oder Stoß auf empfindliche Körperpunkte des Gegners). Anschließend wird der Partner aus seinem Gleichgewicht und damit ins Kuzushi gebracht. Tsukuri bedeutet, den Gegner nun in eine Position zu bringen, aus der heraus er nicht mehr agieren bzw. sich wehren kann. Kake besagt, dass der Gegner abschließend kontrolliert wird, man selbst sicher ist und diverse Kontermöglichkeiten hat.“ Christina Gutz: Unter der Oberfläche: Ein tieferer Blick auf Wado Ryu und Shindo Yoshin Ryu. Wado Lehrgang mit Toby Threadgill (USA) und Robbie Smith (Neuseeland) am 22. und 23.02.2014 in Berlin

[4] “The principles drive the art.” Toby Threadgill, Wado und TSYR Pfingstlehrgang 2014 in Berlin, 08.06.2014

[5] Shuzo Imai verwies auf einen Ausspruch des Bujutsu: Shogo atsumarite Taigo to naru 小悟集まり手大悟に到る. Lernen und Verstehen erfolgt Schritt für Schritt. Dies führt  letztlich zu Erkenntnis und Erleuchtung.

[6] The only way to learn is to fail: “In your failing you learn.” Toby Threadgill, Wado und TSYR Pfingstlehrgang 2014 in Berlin, 08.06.2014

 

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© Dr. Marie-Luise Weber